Kennst du dat Land, wo dei Kanonen bläuhn?



Kennst du das Land, wo die Kanonen
blühn?

Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn
in den Büros, als wären es Kasernen.

Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe.
Und unsichtbare Helme trägt man dort.
Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe.
Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort!

Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will
— und es ist sein Beruf, etwas zu wollen —
steht der Verstand erst stramm und zweitens still.
Die Augen rechts! Und mit dem Rückgrat rollen!

Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen
und mit gezognem Scheitel auf die Welt.
Dort wird man nicht als Zivilist geboren.
Dort wird befördert, wer die Schnauze hält.

Kennst Du das Land? Es könnte glücklich sein.
Es könnte glücklich sein und glücklich machen!
Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein
und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen.

Selbst Geist und Güte gibt's dort dann und wann!
Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen.
Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann.
Das will mit Bleisoldaten spielen.

Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün. Was man auch baut — es werden stets Kasernen.
Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!

Erich Kästner


Kennst du dat Land, wo dei Kanonen bläuhn?

Kennst du dat Land, wo dei Kanonen bläuhn?
Du kennst dat nich? Du warst dat kennenlihrn!Wo Prokuristen in Büros sik mäuhn
so stolt un dreist, as wenn sei in Kasernen wiern.

Gefreitenknöp hemm's ünner'n Binner
un drågen Helms, dei man nich süht,
dei schützt't Gesicht, denn Kopp nich ümmer.
Un krüpt hei bi, ward hei noch Vadder hüt!

Wenn dor dei Baas von ein'n wat will
— em steiht dat tau, dat so tau måken —
steiht dei Verstand ierst stramm un denn gliek still.
Dei Ogen rechts! Un denn 'n Puckel måken!

Dei Kinner kåmen dor mit Stäwelspor'n
un mit 'n Lusallee all up'e Welt.
Dor ward man nich as Zivilist gebor'n.
Dor sticht dei up, dei sien Schnut höllt.

Kennst du dat Land? Dat künn so glücklich wen.
Dat künn glücklich wen un glücklich måken!
Dor gifft dat Feller, Kåhlen, Stahl un Steen
un Fliet un Kraft un anner schöne Såken.

Sülfst Gautheit un Verstand man finnen kann!
Un ok wohr' Heldendaum. Doch nich bi välen.
As'n Kind verhöllt sik jeder tweite Mann.
Will giern mit Bleisoldaten spälen.

Dor riept dei Frieheit nich. Dor blifft sei gräun.
Wat man ok bugen deit — Kasernen uns verfihrn.
Kennst du dat Land, wo dei Kanonen bläuhn?
Du kennst dat nich? Du warst dat kennenlihrn!

Platt: Behrend Böckmann


Erich Kästner (1899-1974), Sohn eines Sattlers, ist sowohl für seine humorvollen und scharfsichtigen Kinderbücher als auch für seine Gedichte berühmt geworden. Kästner besuchte von 1906-1913 die Volksschule und anschließend bis 1917 das Freiherrlich von Fletschersche Lehrerseminar in Dresden, mit der Absicht Volksschullehrer zu werden. Die Ausbildung brach er allerdings kurz vor Abschluss ab, und wurde daraufhin 1917 eingezogen und zum Soldaten rekrutiert. Der Militärdienst und die Teilnahme am Ersten Weltkrieg, deren Erfahrung er später u.a. in seinem Gedicht "Sergeant Waurich" verarbeitete, belasteten ihn fortan sehr und ließen ihn zum überzeugten Pazifisten werden.

23.3.2025

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