Die Ringparabel aus "Nathan
der Weise" (1779)
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Stephan Lachenmaier verklåårt se uns: Nachdem Nathan von Saladin gefragt wird, welche Religion, Christentum, Judentum oder Islam, er für die Wahre hält, antwortet Nathan indem er eine Geschichte erzählt, in der ein Ring die wahre Religion symbolisiert. "Vor grauen Jahren lebte ein Mann in Osten, der einen Ring
von unschätzbarem Wert aus lieber Hand besaß. Der Stein
war ein Opal, der hundert schöne Farben spielte, und hatte die
geheime Kraft vor Gott und den Menschen angenehm zu machen, wer in
dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder, dass ihn der Mann in Osten
darum nie vom Finger ließ; und die Verfügung traf, auf
ewig ihn bei seinem Hause zu erhalten? Nämlich so. Er ließ
den Ring von seinen Söhnen dem geliebtesten; und setzte fest,
dass dieser wiederum den Ring von seinen Söhnen dem vermache,
der ihm der liebste sei; und stets der liebste, ohne Ansehen der Geburt,
in Kraft allein des Rings, das Haupt, der Fürst der Familie werde.
So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn. Auf einen Vater endlich
von drei Söhnen, die alle drei ihm gleich gehorsam waren, die
alle drei er folglich gleich zu lieben sich nicht entbrechen konnte.
Nur von Zeit zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald der dritte,
so wie jeder sich mit ihm alleine befand, und sein ergießend
Herz die andern zwei nicht teilten, würdiger des Ringes; den
er denn auch einem jeden die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen.
Das ging nun so, solang es ging. Allein es kam zum Sterben,
und der gute Vater kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei
von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort verlassen, so zu kränken.
Was zu tun? Er sendet in geheim zu einem Künstler, bei dem
er, nach dem Muster eines Ringes, zwei andere bestellt, und weder
Kosten noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich, vollkommen
gleich zu machen. Das gelingt dem Künstler. Da er ihm die Ringe
bringt, kann selbst der Vater seinen Musterring nicht unterscheiden.
Froh und freudig ruft er seine Söhne, jeden ins besondere; gibt
jedem ins besondere seinen Segen, und seinen Ring, und stirbt.
Kaum war der Vater tot, so kommt ein jeder mit seinem Ring, und
Feder will der Fürst des Hauses sein. Man untersucht, man zankt,
man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht erweislich; Die Söhne
verklagten sich und jeder schwur dem Richter, unmittelbar aus seines
Vaters Hand den Ring zu haben. Wie auch wahr! Nachdem er von ihm
langes das Versprechen schon gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu
genießen. Wie nicht minder wahr! Der Vater, beteuerte jeder,
könne gegen ihn nicht falsch gewesen sein; und ehe er dieses
von ihm , von einem solchen lieben Vater argwöhnen lasse, müsse
er seine Brüder, so gern er sonst von ihnen nur das Beste bereit
zu glauben sei, des falschen Spiels bezichtigen; und er wolle die
Verräter schon auszufinden wissen; sich schon rächen. Der
Richter sprach: wenn ihr mir nun den Vater nicht bald zur Stelle schafft,
so weise ich euch von meinem Stuhle. Denkt ihr, dass ich Rätsel
zu lösen da bin? Oder harret ihr, bis der rechte Ring den Mund
öffne? Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring besitzt
die Wunderkraft beliebt zu machen; vor Gott und Menschen angenehm.
Das muss entscheiden! Denn die falschen Ringe werden doch das nicht
können! Nun; wen lieben zwei von euch am meisten? Macht sagt
an! Ihr schweigt? Die Ringe wirken nur zurück? und nicht nach
außen? Jeder liebt sich selber nur am meisten? O so seid ihr
alle drei betrogene Betrüger! Eure Ringe sind alle drei nicht
echt. Der echte Ring vermutlich ging verloren. Den Verlust zu bergen,
zu ersetzen ließ der Vater die drei für einen machen. Und
also wenn ihr nicht meinen Rat, statt meines Spruches wollt: Geht
nur! Mein Rat ist aber der: ihr nehmt die Sache völlig wie
sie liegt. Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: so glaube
jeder sicher seinen Ring den echten. Möglich; dass der Vater
nun die Tyrannei des einen Rings nicht länger in seinem Hause
dulden wollten! Und gewiss; dass er euch alle drei geliebt, und
gleich geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen, um einen
zu begünstigen. Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochenen
von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die
Wette, die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag zu legen! komme
dieser Kraft mit Sanftmut, mit herzlicher Verträglichkeit, mit
Wohl tun, mit innigster Ergebenheit in Gott, zu Hilfe! Und wenn sich
dann der Steine Kräfte bei euren Kindeskindern äußern;
so lade ich über tausend Jahre, sie wiederum vor diesen Stuhl
da wird ein weiserer Mann auf diesem Stuhle sitzen als ich; und sprechen.
Geht! So sagte der bescheidene Richter. |
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