Die Kraniche des Ibycus

vun Friedrich Schiller. In Platt överdragen vun Behrendt Böckmann

(In Rhegium, en griechischen Kolonie an dei Meerenge twischen Italien un Sizilien, leev Ibycus, dei Dichter un Götterfründ.)

Zum Kampf der Wagen und Gesänge,
Der auf Corinthus Landesenge
Der Griechen Stämme froh vereint,
Zog Ibycus, der Götterfreund.
Ihm schenkte des Gesanges Gabe,
Der Lieder süßen Mund Apoll,
So wandert er, an leichtem Stabe,
Aus Rhegium, des Gottes voll.

Schon winkt auf hohem Bergesrücken
Acrocorinth des Wandrers Blicken,
Und in Poseidons Fichtenhayn
Tritt er mit frommem Schauder ein.
Nichts regt sich um ihn her, nur Schwärme
Von Kranichen begleiten ihn,
Die fernhin nach des Südens Wärme
In graulichtem Geschwader ziehn.

Seid mir gegrüßt, befreundte Schaaren!
Die mir zur See Begleiter waren.
Zum guten Zeichen nehm ich euch,
Mein Loos, es ist dem euren gleich.
Von fernher kommen wir gezogen,
Und flehen um ein wirthlich Dach.
Sei uns der Gastliche gewogen,
Der von dem Fremdling wehrt die Schmach!

Und munter fördert er die Schritte,
Und sieht sich in des Waldes Mitte,
Da sperren, auf gedrangem Steg,
Zwey Mörder plötzlich seinen Weg.
Zum Kampfe muß er sich bereiten,
Doch bald ermattet sinkt die Hand,
Sie hat der Leyer zarte Saiten,
Doch nie des Bogens Kraft gespannt.

Er ruft die Menschen an, die Götter,
Sein Flehen dringt zu keinem Retter,
Wie weit er auch die Stimme schickt,
Nichts lebendes wird hier erblickt.
"So muß ich hier verlassen sterben,
Auf fremdem Boden, unbeweint,
Durch böser Buben Hand verderben,
Wo auch kein Rächer mir erscheint!"
Und schwer getroffen sinkt er nieder,
Da rauscht der Kraniche Gefieder,
Er hört, schon kann er nicht mehr sehn,
Die nahen Stimmen furchtbar krähn.
"Von euch, ihr Kraniche dort oben!
Wenn keine andre Stimme spricht,
Sey meines Mordes Klag' erhoben!"
Er ruft es, und sein Auge bricht.

Der nakte Leichnam wird gefunden,
Und bald, obgleich entstellt von Wunden,
Erkennt der Gastfreund in Corinth
Die Züge, die ihm theuer sind.
"Und muß ich so dich wiederfinden,
Und hoffte mit der Fichte Kranz
Des Sängers Schläfe zu umwinden,
Bestrahlt von seines Ruhmes Glanz!"

Und jammernd hörens alle Gäste,
Versammelt bey Neptunus Feste,
Ganz Griechenland ergreift der Schmerz,
Verloren hat ihn jedes Herz,
Und stürmend drängt sich zum Prytanen
Das Volk, es fodert seine Wut
Zu rächen des Erschlagnen Manen,
Zu sühnen mit des Mörders Blut.

Doch wo die Spur, die aus der Menge,
Der Völker flutendem Gedränge,
Gelocket von der Spiele Pracht,
Den schwarzen Thäter kenntlich macht?
Sinds Räuber, die ihn feig erschlagen?
Thats neidisch ein verborgner Feind?
Nur Helios vermags zu sagen,
Der alles Irrdische bescheint!

Er geht vielleicht, mit frechem Schritte
Jetzt eben durch der Griechen Mitte,
Und während ihn die Rache sucht,
Genießt er seines Frevels Frucht.
Auf ihres eignen Tempels Schwelle
Trotzt er vielleicht den Göttern, mengt
Sich dreist in jene Menschenwelle,
Die dort sich zum Theater drängt.

Denn Bank an Bank gedränget sitzen,
Es brechen fast der Bühne Stützen,
Herbeygeströmt von Fern und Nah,
Der Griechen Völker wartend da,
Dumpfbrausend wie des Meeres Wogen,
Von Menschen wimmelnd wächst der Bau
In weiter stets geschweiftem Bogen
Hinauf bis in des Himmels Blau.

Wer zählt die Völker, nennt die Nahmen,
Die gastlich hier zusammen kamen?
Von Theseus Stadt, von Aulis Strand,
Von Phocis, vom Spartanerland,
Von Asiens entlegner Küste,
Von allen Inseln kamen sie,
Und horchen von dem Schaugerüste
Des Chores grauser Melodie —

Der streng und ernst, nach alter Sitte,
Mit langsam abgemeßnem Schritte,
Hervortritt aus dem Hintergrund,
Umwandelnd des Theaters Rund.
So schreiten keine irrdschen Weiber,
Die zeugete kein sterblich Haus!
Es steigt das Riesenmaß der Leiber
Hoch über menschliches hinaus.

Ein schwarzer Mantel schlägt die Lenden,
Sie schwingen in entfleischten Händen
Der Fackel düsterrothe Glut,
In ihren Wangen fließt kein Blut.
Und wo die Haare lieblich flattern,
Um Menschenstirnen freundlich wehn,
Da sieht man Schlangen hier und Nattern
Die giftgeschwollnen Bäuche blähn.

Und schauerlich gedreht im Kreise,
Beginnen sie des Hymnus Weise,
Der durch das Herz zerreissend dringt,
Die Bande um den Sünder schlingt.
Besinnungraubend, Herzbethörend
Schallt der Erinnyen Gesang,
Er schallt, des Hörers Mark verzehrend,
Und duldet nicht der Leier Klang.

"Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle
Bewahrt die kindlich reine Seele!
Ihm dürfen wir nicht rächend nahn,
Er wandelt frei des Lebens Bahn.
Doch wehe wehe, wer verstohlen
Des Mordes schwere That vollbracht,
Wir heften uns an seine Sohlen,
Das furchtbare Geschlecht der Nacht!

Und glaubt er fliehend zu entspringen,
Geflügelt sind wir da, die Schlingen
Ihm werfend um den flüchtgen Fuß,
Daß er zu Boden fallen muß.
So jagen wir ihn, ohn Ermatten,
Versöhnen kann uns keine Reu,
Ihn fort und fort bis zu den Schatten,
Und geben ihn auch dort nicht frei."

So singend tanzen sie den Reigen,
Und Stille wie des Todes Schweigen
Liegt überm ganzen Hause schwer,
Als ob die Gottheit nahe wär'.
Und feierlich, nach alter Sitte
Umwandelnd des Theaters Rund,
Mit langsam abgemeßnem Schritte,
Verschwinden sie im Hintergrund.

Und zwischen Trug und Wahrheit schwebet
Noch zweifelnd jede Brust und bebet,
Und huldiget der furchtbarn Macht,
Die richtend im Verborgnen wacht,
Die unerforschlich, unergründet
Des Schicksals dunkeln Knäuel flicht,
Dem tiefen Herzen sich verkündet,
Doch fliehet vor dem Sonnenlicht.

Da hört man auf den höchsten Stufen
Auf einmal eine Stimme rufen:
"Sieh da! Sieh da, Timotheus,
Die Kraniche des Ibycus!" —
Und finster plötzlich wird der Himmel,
Und über dem Theater hin,
Sieht man, in schwärzlichtem Gewimmel,
Ein Kranichheer vorüberziehn.

"Des Ibycus!" Der theure Nahme
Rührt jede Brust mit neuem Grame,
Und, wie im Meere Well auf Well,
So läufts von Mund zu Munde schnell.
"Des Ibycus, den wir beweinen,
Den eine Mörderhand erschlug!
Was ists mit dem? Was kann er meinen?
Was ists mit diesem Kranichzug?" —

Taut Späl mit Wagens un Gesang
Güng nå Corinth denn Wech entlang
Mit Hellas Sippen frohgestimmt
Ok Ibycus, dei Götterfründ.
Apollo ut denn hogen Häben,
Sien Götterfründ för denn Gesang
Harr em dei Stimm taun Wannern gäben,
Dormit dei Wech nich wür tau lang.

Nu süht hei all denn Barch dor hinnen
Wo hei Acrocorinth will finnen,
Doch in Poseidons Dannenholt
Löppt Bang em œwer'n Puckel kolt.
Dor röcht sik nix, un doch in'n Reigen
Väl Kraunen trecken mit em denn,
Dei in denn warmen Süden fleigen
As griese Haud an Häben hen.

Wäst willkåmen, ji leiwe Frünnen!
Dei tau See all tau mi fünnen.
As gaudet Teiken mi wull schien
Mien Wech sall dei von juch ok sien.
Bet hier sünd wi von wiet her kåmen
Un säuken nu ein gådlich Flach.
Wo wi as Gast denn gaut upnåhmen
Un man uns nich as Frömden mach!

Un ümmer fixer warden Tritte,
Hei kümmt in Holt all tau dei Midde,
As hei up engen Wech möt gåhn,
Upstunns twei Murders vör em ståhn.
Hei möt sik up 'n Kampf inlåten,
Doch fix ward låhm dei lütte Hand
Dei wull gaut künn dei Leyer fåten,
Doch nie nich hett 'nen Bågen spannt.

Hei biddt Minschen un dei Götter,
Sien Bidden kümmt tau keinen Redder,
So wiet denn ok sien Stimm wull kümmt,
Kein Wäsen sienen Raup upnimmt.
" So möt ik mi denn Dod hier stellen
Up frömde Ierd, wo keinein hult,
Wo man nich Murders kann vergellen,
Wo man nich mål ward denn inkuhlt."
Un hei sackt tau dei Ierd nu rünner,
Dei Kraunen fleigen so as ümmer,
Hei hürt sei noch, kann's nich mihr seihn,
Hürt blot noch dei Vågels kreihn.
"Von juch, ji Kraunen dor an'n Häben,
Dor doch kein anner wier bitau,
Sallt von juch dei Anklåch gäben!"
Hei secht't, un måkt dei Ogen tau.

Dei nåkelt Liek, sei ward bald funnen,
Is dull verseihn mit väle Wunnen,
Dei Fründ kennt dei, dei ut Corinth
Un weit nich, wo dei Murders sünd.
"Wat möt ik di so wedderfinnen,
Ik wull doch einen schönen Kranz
As Sänger üm denn Kopp di winnen,
Dei stråhlen däd mit vullen Glanz!"

So hemm' all denn Dod vernåhmen,
Dei taut Neptunfest wiern kåmen,
Ganz Griechenland dräp dat so hart,
Verluurn hett em jedet Hart,
Un Minschen stürmen in ehr in Nöten
Un föddern von denn Herrscher blot,
Hei sall dei Seel von'n Doden böten,
Denn Murder strafen mit denn Dod.

Wo denn upspœrn ünner dei välen,
In't dicht Gewœhl von disse Spälen,
Wo man bi gor son'n prächtig Spill
Denn schwatten Düwel finnen will?
Hemm' Räuwer em ut Bang dod schlågen?
Einer, dei em nich utståhn künn?
Wat sik würklich hett taudrågen,
Dat weit up Ierden blot dei Sünn!

Villicht will hei dat Spill beläben
Un hett sik ünner't Volk begäben,
Dat för denn Murd nå Rache sinnt
Un em nu ganz vergnäuglich stimmt.
Ward œwer'n Tempelsüll hei wischen
Wo em dei Götterstråf nich dröppt
Sik ünner eine Haud deit mischen,
Dei dor in dat Theoter löppt.

Bänk an Bänk dei Minschen sitten,
Dat bräken all Theoterstütten,
Bi't Kåmen von so œwerall
Ruuscht dat so as 'n Wåderfall,
Gråd so as süss dei Bülgen speigen
Sitten Minschen disser Dåch
Dicht an dicht in runne Reigen
Bet hoch an'n Häben, dei so blåch.

Wat för Völker, wat för Nåmen,
Dei hier as Gäst tausåmen kåmen?
Ut dei Bargen un von 'n Strand,
Ut Griechen- un't Spartanerland,
Sülfst von Asien setten's œwer,
Willen luschern denn Gesang
Ok von Inseln kåmen's rœwer,
Willen hürn denn gräsig Klang —

Un streng un iernst, so as vör Dågen
Deit dei Chor sik ruterwågen,
Kümmt vör nu ut denn Achtergrund
Un wannelt in't Theoterrund.
Dat sünd nich dei ierdschen Wiewer
Nich starflich as' n Minschenkind!
Dei hemm' väl tau dicke Liewer
As dat dei wull von Minschen sünd.

'N schwatter Matäng üm dei Lennen,
Sei schwingen in ehr Knåken-Hännen
Fackeln mit düsterrode Glaut,
Doch in't Gesicht hemm' sei kein Blaut.
Wo süss dei Hor so leiflich flattern,
Fründlich denn hübschen Bless ümweihn,
Låten Schnaaken un ok Addern
Ehr Tähnen as'n Giftsprütt seihn.

Gor grugelig sünd ehre Runnen,
Wenn's mit Gesang väl Låb bekunnen,
Dei düchtig all tau Harten geiht,
Un ok denn Sünner dräpen deit.
Dat Denken låten, Harten winnen,
Dörch dei Furien ehrn Gesang,
Dei Hürer sall em gaut befinnen
Un lieden nich denn Leier-Klang.

"Wiss denn, dei frie von Schuld in Johren
künn sien Kinnerseel sik wohren !
Em dörp man nich mit Rach angåhn,
Möt låten em sien Läbensbåhn.
Doch, weia, wecker tücksch sik gäben
Un Murd as bösest Wark hett dån,
Dei sall denn ünner uns nich läben,
Möt von uns af in'n Düstern gåhn!

Un wenn hei denkt, hei kann entkåmen,
Denn warden gliek dei Schneren nåhmen,
Dei lecht man üm, hei kümmt nich wech
Un föllt hendål tau sien grot Pech.
Åhn Rast un Rauh ward man em jågen
Dat nich mål sien Schatten blifft,
Mit em kann man sik nich verdrågen,
Sülfst wenn hei sik denn reuig gifft."

So singen sei un danzen Runnen,
Un Still, dei mit denn Dod verbunnen
Licht œwer dat Theoter sihr
As wiern dei Götter osülben hier.
Un streng un iernst, so as vör Dågen
Deit dei Chor taurüch sik wågen,
Un wannelt ut't Theoterrund.
Nå hinnen in denn Achtergrund

Wat twüschen Lœg un Wohr deit schwäben
Lött unsäker dei Bossen bäben,
Un glöben, dat dat einer måkt,
Dei œwer uns in'n Düstern wåkt,
Dei åhn tau weiten un åhn Grünnen
Düster Schicksals-Klugen dreiht,
Dei deipen Hartens will't verkünnen
Un liekers sik verstäken deit.

All, dei in't Theoter wieren kåmen,
Hemm' mit eins dei Stimm' vernåhmen:
"Süh dor, sühr dor Timotheus,
Dei Kraunen von denn Ibycus!"
Un düster ward dat an denn Häben,
Un äbenso in dat Theoter,
Denn dusende von Kraunen schwäben
As schwatte Schof œwer't Gericht.

"Denn Ibycus!" Dees düre Nåm
Röcht jede Bost mit niegen Gråm,
So as dat Wåder bülgen deit,
Von Mund tau Mund dei Nåricht geiht:
"Denn Ibycus, denn wi beduern
Däd 'n Murderhand upluern!
Wat is dormit? Wat wull hei seggen,
Wat sall dei Kraunenschof bedüden?" —

Und lauter immer wird die Frage,
Und ahnend fliegts, mit Blitzesschlage,
Durch alle Herzen "Gebet acht!
Das ist der Eumeniden Macht!
Der fromme Dichter wird gerochen,
Der Mörder bietet selbst sich dar.
Ergreift ihn, der das Wort gesprochen,
Und ihn, an den's gerichtet war."

Doch dem war kaum das Wort entfahren,
Möcht' ers im Busen gern bewahren;
Umsonst, der schreckenbleiche Mund
Macht schnell die Schuldbewußten kund.
Man reißt und schleppt sie vor den Richter,
Die Scene wird zum Tribunal,
Und es gestehn die Bösewichter,
Getroffen von der Rache Strahl.

Un disse Fråch deit jeder stellen,
Un flücht as Blitz, so einen grellen
Dörch alle Harten: "Geeft gaut acht!
Dat is dei Götter-Rache-Macht!
Man hett denn fråmen Dichter råken,
Dei Murder sett sik sülfst in't Licht.
Sett fast denn, dei dat Wurt hett språken
Un em, an denn dat Wurt wier richt."

Doch denn wier kum dat Wurt rutfohrn,
Wull hei't in'n Bussen giern bewohrn;
Ümsüss, dei vör Schreck so bleike Mund
Gifft schnell dei Schulligkeit nu kund.
Man tarrt un schleppt em vör denn Richter,
Dei Uplop ward taun Tribunål.
Un Inseihn hemm' dei Bösgesichter,
Sünd dråpen von denn Rache-Stråhl.


25.2.2021


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