Dat Jerusaleem-Syndrom

vun Rudi Witzke


"De oole Welt kümmt an ehr Enn."
So laat us den Pilgerstaff nehmen, up dat wi finnen.

An apokalyptsche Ümwölterien glöven veele, veele ok, dat wi hüüt meerenmang sünd. Kann sien, kann nich sien! Un dat gifft Minschen, de dörch den Upbuu vun een "klareert Binnenleven" de "riesigen negativen Energiefeller" afstötten. So kann man up Gott sienen Padd kamen, een goden inwennigen Ruum in sik bereiden, up den Christus sien Wark doon kann, di redden kann. Also en Seelenbunker in mi! Un in Jerusaleem kannst besünners goot an buen.

Dat is de Bott vun een christlichen "Vereen" in Jerusaleem. Veele Lüüd hangt de "Prophetin" an, de noch veel mehr dorto to seggen hett. Un dat gifft veele afdreihte Christen, de anner Saken "verkünnen". Alltosomen warden beschreven in Böker över dat "Jerusaleem-Syndroom".

Ik heff hier in ünnerscheedlich Bidrääg vertellt, woans wi mit Israeal un Jerusaleem in uns Binnerstes ümgaht, woans wi dörch dat Land trecken. Nix heff ik vun de "Halleluja-Hauden" vertellt, de all in Frankfort orrer up anner Floogplätz an ehr witten orrer griesen orrer blagen langen Klamotten upfallen. Manns- un Fruunslüüd verkleden sik up verschieden Wies as Pilger. Un se maakt sik breid.

Wenn in en Hotel för den Avend en Vördragssaal söchst, sünd de meist all besett vun de Luuja-Lüüd. Ja, ik heff seggt, wi schallt uns Christenweg-Söök nich verstecken. De aver singen avends eerst maal vör dat Eten, denn na dat Eten. Denn ward de Reeg na beedt, so luud, dat all dat mitkriegen. Un wenn du Pech hest, sünd in den Spiessaal mit di un dien Lüüd twei verschieden Pilger-Gruppen tosamen. Morgens wecken se een. Un bi't Fröhstück geiht dat wieder mit Singen un Beden.

Ik heff vun unsen stillen Besöök in de Avendmahls-Saal vertellt. Wi sind ok mit Pilger-Truppen dor west. De liggen lingelang in Krüüzfoorm in de Gäng un up de Trepp un murmeln in'n Choor Gebeden. Müßt röverkladdern.
Kannst di vörstellen, woans dat in de Via Dolorosa togeiht? Wiss nich! Singen, Beden, Stöhnen, Schriegen, Krüüze sleppen, so willn de Pilger neeg to Gott kamen. Muchst di de Ohren tohollen.
Ik harr mi dat maal up de warme Trepp up de Via mit'n araavschen Koffie kommodig maakt. Un den Barg hooch keemen jümmer niege Trupps, süngen luuthals un stoppten denn un leggten sik up de Eerd. Een leeste wat vör, all süngen noch maal. Ik seet in de Neegde vun en Krüüzstatschoon. Een jung Kierl keek mi ut glasig Ogen an, he weer "an't Ümkippen un Utlopen". Wat hett he sik freugt, as ik em mienen Koffie geev.

Een keent de Soort "Pilger" an dat grienig Smüüstern, dat se eerst afschalten, wenn se wedder tohuus sünd. Un se hebbt so en Blick mit grote Ogen na baven un in de Feern.
Af un an gifft ok maal en Minschenskind lude Töön vun sik, wieldat dat nu woll heel wat Besünnres beleevt. Dat stöört besünners in den stillen Goorn Gethsemane doch wat.


Goorn vun Josef vun Arimathäa

Ik heff avends faken mit de Reis-Leidungen vun solk "Biblisch Reisen" orrer "Sekten-Turen" in't Foyer snackt un schonst nafraagt, woso se ehr "Pilgerie" so penetrant wiesen mütt. Oh, Mann in de Tunn! Dor harr ik aver een besünner Fettnapp drapen. — De Gemeinden verlangt dat vun ehrer Pastoors un Makers, dat dat so en grotes Seelenbelevnis, en Happening is. Een Geföhls-Lawien na de anner mütt daalgahn. Un de pedd se loos. Un wokeen dat nich lieden kann, is al en verlorn Heid, de in de Finsternis fallen ward.

Mien Dochter Sannah is en Pastoorsche. Welk vun ehr Amtsbröder maakt ehr Lüüd ok up Pilgerfohrten so hitt. Un wenn se trüch kamen, sünd se meist krank vun den Klimawessel, denn aver ok vun den Psychotripp un dat Alldagsleven. Dat is een besünner Klimawessel!! Un dat will Sannah sik un ehr Gemeindelüüd nich andoon. Un so pilgert se nich mit een Grupp ut de Gemeind los na Jerusaleem.

Dat is all naug un meist wat echter Leven, wenn in ehr Gottsdeinste ropen Beder nich totöven köönt, bit en Paus is. De beed unverwohrens luud loos in den Gottsdeinst rin, wenn jüm so is. Un Sannah haalt de ehr Wöör denn in de Predigt orrer Liturgie mit rin. Leeg is dat, wenn een keen Enn finndt. Aver een fehlt wat, wenn nich welk twüschendörch luudhals "Halleluja!" ropen hebbt. Dat allens geiht meist goot un maakt dat Tosamensien leviger. Hett allens so sien Ornung.

Ne, de Pastoorsche sitt nich in ehr Gemeen un versuurt. Se weer schonst in Denver bi'n Bischopp en Tiet as Hülpspredigerin, in Schlesien in Polen, in Südtirool un in't Riesengebirg in de Tschechei as Pastoorsche för de Urlauber un de na 1945 hangen blevenen Düütschen. De sünd vull Freud, wenn se mit ehr in ehr Mudderspraak singen un beden köönt. Vun wiet kaamt se anreist, wenn Sannah dor Gottsdeinst höllt, de Kathoolschen un de Evangeelschen. Dat is ehr schonst wichtig, wieldat up alle Fäll Missioonsarbeid is. Ach ja, dat maakt se natüürlich in ehr Urlaubstiet.

Ik heff maal naseihn, wat ik nich wat Schrevenes över dat "Jerusalem-Syndrom" finn.
Gifft dor in de Krankenhüüs in de Püschatrie sloten Afteilungen. Welk vun de Pilger sünd so dörcheenanner, dat se nich glieks na Huus hen schickt warden köönt. Se wöörn sik ehrder ümbringen.
Hier poor Wöör dorto:

"Bleibt es nicht ohne Wirkung, wenn man längere Zeit in der extrem religiösen Atmosphäre Jerusalems lebt?"
"Wissenschaftlich gesehen gibt es ein "Jerusalem-Syndrom", denn jährlich werden etwa 150 falsche Messiasse, Eliasse und "letzte zwei Zeugen" in die Jerusalemer Psychiatrie eingeliefert. Diese Leute kommen aus der ganzen Welt. Sie kommen als ganz normale Pilger nach Jerusalem, irgendwann aber springt ein Funke über, gegen den sie keine Immunstoffe haben. Zuerst fangen sie an, sich weiß zu kleiden, dann mieten sie sich von Arabern einen weißen Esel und beginnen ihre Laufbahn als "Messias". Dass sie oft ausgelacht und für verrückt erklärt werden, stärkt ihr Sendungsbewusstsein, denn "so etwas musste auch Christus erleiden". Am gefährlichsten sind jene, die meinen, sie seien die zwei Zeugen der Endzeit, die auf Jerusalems Straßen umkommen sollen. Diese Leute greifen alle Welt an, denn durch den Ärger, den sie dadurch auslösen, bestätigt sich ja ihre Sendung.
Dass in unserer Zeit so viele falsche Christusse auftauchen, erinnert an die Zeit Jesu, denn auch zu seiner Zeit gab es, laut Flavius Josephus, eine Inflation an falschen Messiassen, wodurch der echte Messias nicht mehr ernst genommen wurde." N.N.

Mien letzt Gruppen-Reis, för de ik alleen dat Verantworden harr, harr dat Thema "Auf Isaaks und Ismails Spuren". Dat heff ik de Pilgermaten in de Bibel un an Steden in Israel un Jordanien wiest. Mi keem schon en Leitender Oberstaatsanwalt dweer: "Ich bin Rationalist und empfinde Ihre Informationen und angeordneten Lesungen aus der Bibel als persönliche Einmischung und Belästigung!" Ik heff mi mit mien Texten un Steden an'n Jabbok, Barg Nebo, See Genezareth un veele annere Steden nich trüchhollen. Elkeen, de sik "bedrängt" föhlte, den heff ik seggt, dat he vörher nau dat Programm harr lesen kunnt. Un dat weer nu maal för uns Tuur güllig.


In de Wööst

Vör Yad Vashem buut sik een vör mi up un sää, dat keen teihn Pierd em dor rinkregen. Ik kunn em nich dwingen. Dor harr he ok nich nau henseihn. Dat weer en Angebott. So harr ik vörher schreven. So en Begegen mit de Quaal un Noot, de de Nazis över de Juden bröcht hebbt, kannst nich organeseern un in en Grupp afhanneln. Dat mutt ut dien Geweten kamen. — Mi hett sien bedüden Aflehnen schonst wunnert, tomaals dat en Föhrungsminsch ut uns Land weer.

Un denn weer dor Fru B.. Ik harr all "Pilger" in'n Nahal Ardon in'n Groten Krater Gelegenheit geven, söss Stunnen mit en Landkoort alleen in de Wööst totobringen. — Ünner een Akazie stünn Fru B.. Ik harr up all so en beten en Oog. Fru B. stünn later noch ünner de Akazie. Un as se na en länger Tiet ünner de Akazie stünn, fragt ik doch na. Mit verklärt Ogen swiesterte se: "Ich habe IHN geerdet, hier ist ER und wir fließen zusammen." — Gönnte ik ehr vun Harten! Weer ja nich gefährlich. Se harr aver natüürlich blots en lütte Buddel Wader bi sik. Dat weer gefährlich. Ik geev ehr vun mienen Vörraat. — Vun Wieden heff ik denn beten luschert: Se weer jümmer noch fast eerdt. — Un drunken hett se ok.

Unnöödig veel Kräfft kost dat aver doch, mit Queerköpp "in alle Rooh" to snacken.
"Ik mutt en anner Stuuv kriegen!" Ik hen! "Twee Gardinen-Ring sünd vun de Stang daalrutscht. Ik will een anner Stuuv!" Ik heff se stahn laten.
As ik de Grupp seker in Lübeck harr, weer ik meist dull frooh! Solk "Pilgern" strapseert den Maker. Ik heff liernt: Pilgern is Tofoot-Gahn, sik mööd lopen, nich mit'n klimatiseerten Bus dörch de Gegen vun een köhltes Hotel na dat anner föhren un twüschendörch maal utstiegen. Mööglichst noch köhltes Beer bi'n Fohrer köpen!!


Nahal Zinn

De anner Siet bi disse unse Reis mütt een ok seihn: Lüüd ut Karkenchöör un Lektoren un annner Pilger hebbt jümmer en lütt Morgenandacht up de Been bröcht, de wi buten up een Barg orrer an't Över vun den See Genezareth orrer Nahal Zinn belevten. Ik heff tosamen mit en israeelschen Guide jümmer up acht geven, dat wi alleen weern. Elkeen kunn denn noch morgens en half Stunn an een schööne Steed för sik alleen sien un sien Denken un Föhlen nagahn. Meditatschoon heit dat woll. — De keen Andacht af kunn, harr länger "frie". Doch dor weern aver all tosamen.

In de Hotels harrn de "Pilger" bit up enen Avend frie. Dor hett en mit uns befrünnte Professer vertellt, woans he vun Düütschland weg is un se in Tel Aviv dat Philharmoonsche Orchester upbuut hebben. — Ik glööv, he hett mitkregen, dat welk sik en Runn Slaap günnten. Un ik weer froh, dat ik för avends nich mehr plant harr. Ik harr mi denn to veel schamen müsst.

Mit Humoor un afstännig muttst dat allens beleven, süss kriggst sülven ok noch en Syndroom. So humoorig as Amos OZ:

"Meine Kindheit in Jerusalem hat mich zum Experten für Vergleichende Fanatismusforschung gemacht. Das Jerusalem meiner Kinderjahre in den Vierzigern war voll von selbsternannten Propheten, Erlösern und Messiassen. Selbst heutzutage hat unter der Bevölkerung von Jerusalem jeder oder jede sein oder ihr persönliches Rezept für sofortige Erlösung. — Alle sagen, sie seien nach Jerusalem gekommen, damit — wie eine berühmte Zeile eines alten Liedes lautet — "wir die Stadt aufbauen und sie uns aufbaut". Tatsächlich aber kamen manche — Christen, Juden, Sozialisten, Anarchisten, Lebensreformer — nicht so sehr deshalb nach Jerusalem, um die Stadt aufzubauen oder von ihr aufgebaut zu werden, sondern um sich kreuzigen zu lassen, andere zu kreuzigen oder beides. Es gibt eine bekannte Form von Geisteskrankheit, das sogenannte Jerusalem-Syndrom: Man kommt nach Jerusalem, man atmet die klare Bergluft ein, dann plötzlich rennt man los und zündet eine Moschee, eine Kirche oder eine Synagoge an. Oder man zieht sich zumindest aus, besteigt einen Felsen und beginnt zu prophezeien oder legt sich in Kreuzform in weißem Gewand auf die Kreuzung. Selbst heute kann sich in Jerusalem jede Autobuswarteschlange in ein leidenschaftliches Straßenseminar verwandeln, in dem einander völlig Fremde über Politik, Moral, Strategie, Geschichte, Identität oder Religion streiten. Die Teilnehmer eines solchen Seminars versuchen, während sie über Politik und Theologie, Gut und Böse debattieren, trotzdem unter Einsatz ihrer Ellbogen zum Beginn der Schlange vorzudringen. Alles schreit, niemand hört zu (außer mir — ich lausche manchmal, so verdiene ich ja mein Geld)."

Dat letzt Woort will ik en frommen Pilger geven. He weet, dat Pilgern Nix-Söken un Sik-Finnen is, in't Hart een Levlang Söken bedüüdt. Wat he seggt, bring ik in't Plattdüütsche, wat he meent, mütt wi doon.

Een mutt as een Pilger wanneln,
frie, bloot un wohrhaftig leddig.
Veel sammeln, hollen, hanneln
maakt uns Schreed to swoor.

Wokeen will, de sleppt sik doot.
Wi wanneln mit licht Bagaasch.
Mit wenig sünd wi woll tofreden
un bruken't blots in bidder Noot.

Gerhard Tersteegen


Bild Via Dolorosa: Windhaven1077/pixabay
All anner Biller: Rudi Witzke
10.4.2021


na baven